von Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt und Dr. Silke Boeffel.
Um Nachhaltigkeit zu leben, muss jede:r Einzelne bereit sein, gewohnte Handlungsmuster und Routinen zu hinterfragen und die eigenen Interessen hinter die Bedürfnisse der Gemeinschaft zurückzustellen. Welche Rahmenbedingungen in einem Unternehmen dabei unterstützen und wie die Personalabteilung durch gezielt eingesetzte Anreize nachhaltiges Handeln treiben kann, beschreiben wir in diesem Artikel.
Trotz guter Vorsätze klaffen bei der Nachhaltigkeit Wissen und Handeln immer noch auseinander. Dies gilt für den privaten Bereich, aber auch Unternehmen tun sich oftmals schwer damit, eine echte nachhaltige Handlungskultur aufzubauen. Überhaupt – was heißt nachhaltiges Handeln im Unternehmenskontext? Viele verbinden damit Energie- und Wassersparmaßnahmen oder Volunteering-Aktionen ihrer Mitarbeiter:innen, die HR gemeinsam mit der CSR-Abteilung organisiert und die dann von der Marketingabteilung hübsch aufbereitet über die sozialen Medien geteilt werden. Daran ist nichts falsch und es hat einen positiven Impact – aber es ist nur ein Baustein in einem größeren Handlungsrahmen.
Um nachhaltiges Handeln zu fördern, muss man zunächst verstehen, welche Faktoren dieses überhaupt beeinflussen. Darauf aufbauend kann man dann die entsprechenden Maßnahmen ableiten und im Unternehmen etablieren. Diesen Transformationsprozess kann und muss die Personalabteilung proaktiv begleiten – und natürlich selbstreflektierend auch auf den eigenen Bereich übertragen.
Nachhaltiges Handeln bedeutet, die Interessen der Gemeinschaft über die persönlichen Interessen zu stellen
Was hindert uns eigentlich daran, nachhaltig zu handeln? Am Umweltbewusstsein oder dem Wissen scheint es eher nicht zu liegen. Laut einer Umfrage des Umweltbundesamtes (UBA) aus dem Jahr 2020 ist für 65% der Befragten das Thema Umwelt- und Klimaschutz sehr wichtig. Und immerhin 60% fühlen sich gut oder sehr gut dazu informiert. Auf der anderen Seite wird das eigene Auto von 70% der Befragten in einer Studie des UBA aus dem Jahr 2018 täglich oder mehrmals pro Woche genutzt – obwohl hinreichend bekannt sein sollte, dass durch die CO2-Emissionen zum Klimawandel beigetragen wird. Aber durch die Nutzung des Autos wird Zeit gespart, mehrere Wege können miteinander verbunden werden und viele Ziele sind mit anderen Verkehrsmitteln nur schlecht erreichbar. Und für manche ist das Auto auch immer noch Statussymbol und Autofahren macht Spaß. Dieses einfache Beispiel zeigt bereits das Dilemma: wir handeln so, dass es einfach, bequem und effektiv für uns ist. Routinen sind eingespielt, Verhaltensänderungen sind aufwändig und Emotionen – positive wie negative – spielen ebenfalls eine Rolle.
Unsere Bereitschaft und Fähigkeit nachhaltig zu handeln wird also nicht nur durch Wissen, sondern auch durch Gewohnheiten und das kulturelle Umfeld stark beeinflusst.
Sechs Punkte, die nachhaltiges Handeln im Unternehmen fördern
Wie kommt man nun aber im Alltag zum nachhaltigen Handeln? Wie kann der und die Einzelne unterstützt werden und was wird gebraucht? Im Folgenden beschreiben wir, welche Faktoren berücksichtigt werden müssen und durch welche Maßnahmen HR nachhaltiges Handeln aktiv steuern und unterstützen kann.
1. Unternehmensleitlinien und -werte setzen den Rahmen und geben die Spielregeln vor
Auf unternehmerischer Ebene sind es die eigenen Leitlinien, die die Normen und Werte für das Handeln der Mitarbeitenden bestimmen. Sie setzen den Rahmen und geben vor, welchen Stellenwert Themen wie Umwelt- und Klimaschutz, Diversity oder soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft einnehmen.
Viele Unternehmen schreiben Verhaltensvorgaben im firmeneigenen Code of Conduct nieder. An diese Regeln müssen sich alle im Unternehmen halten, um damit unethisches oder korruptes Verhalten zu unterbinden. Darüber hinaus kann man im Unternehmen noch weitere Regeln erlassen, wie beispielsweise zur Beschaffung oder zu Dienstreisen. Wenn in der Reiserichtlinie eindeutig geregelt ist, dass die Fahrt per Bahn dem Flugzeug vorzuziehen ist, auch wenn letzteres billiger ist, kommen Mitarbeitende nicht in einen Konflikt und müssen sich nicht rechtfertigen, warum sie sich für das umweltfreundlichere Reisemittel entscheiden, obwohl es teurer ist. Gleichzeitig gibt es auch keinen Spielraum, sich für das nicht-nachhaltige Handeln zu entscheiden.
2. Nachhaltiges Handeln muss organisatorisch verankert werden – top-down und bottom-up
In den letzten Beiträgen wurde immer wieder deutlich: Nachhaltigkeit ist Chef:innensache und muss Teil der Unternehmensstrategie sein. Daraus ergeben sich Unternehmensziele, die von der obersten Ebene bis zu jedem Mitarbeiter heruntergebrochen werden. Um zu zeigen, dass nachhaltiges Handeln nicht nur erwünscht ist, sondern alle dafür Verantwortung tragen, sollten persönliche Ziele immer auch einen Nachhaltigkeitsbezug beinhalten.
Doch dies ist nicht die einzige Möglichkeit, dieses Thema voranzubringen. Durch Nachhaltigkeitsbotschafter, die als Ansprechpartner vor Ort in ihrer Abteilung agieren, können Themen sowohl von top-down kommuniziert wie Ideen und mögliche Umsetzungsschwierigkeiten bottom-up nach oben bis zur Geschäftsführung und / oder CSR-Abteilung getragen werden. Als eigenes CSR-Team im Unternehmen sollten sich zusätzlich alle Nachhaltigkeitsbotschafter (oder wie man sie im Unternehmen auch immer nennen möchte) regelmäßig mit der Geschäftsführung, der CSR-Abteilung (wenn diese vorhanden ist) und natürlich der Personalabteilung austauschen. Ein Rhythmus von 3 – 6 Monaten ist dabei sinnvoll.
3. Durch Wissen und Information wird nachhaltiges Handeln ins Bewusstsein gebracht
Voraussetzung für nachhaltiges Handeln ist Wissen und Information. An dieser Stelle ist HR gefragt, durch spezifische Weiterbildungen die Mitarbeitenden in ihrem Arbeitsbereich zu unterstützen: Fahrer:innen können Trainings zu spritsparendem Autofahren erhalten während die Mitarbeiter:innen in der Beschaffung Informationen zu Umwelt- und Sozialstandards in der Lieferkette benötigen. Auch Eigeninitiative sollte unterstützt werden, wenn jemand sich selber eine Weiterbildung herausgesucht hat.
So kann gleichzeitig nicht nur wertvolles Wissen generiert, sondern die Motivation und Eigenverantwortung befriedigt und gefördert werden. Die Gewährung einer gewünschten Weiterbildung ist daneben eine sehr gute Möglichkeit, Anreize für nachhaltiges Handeln zu schaffen.
4. Nachhaltiges Handeln wird zur Routine – und HR ist als Treiber dabei
Eingefahrene Routinen zu ändern ist schwierig. Aber durch Regeln, wie oben bereits geschrieben, können diese beeinflusst werden. Gerade in Umbruchsituationen ist es besonders einfach, alte Wege zu verlassen und neue Routinen zu etablieren. Diese Chance sollte HR wahrnehmen und bei neuen Mitarbeitenden von Anfang an nachhaltige Routinen unterstützen. Dazu kann die Karte für den ÖPNV, die Unterstützung bei der Anschaffung eines e-bikes gehören oder eine Liste nachhaltiger Läden in der Umgebung.
Um eingefahrene Verhaltensweisen zu verlassen und neue Alternativen auszutesten, braucht es oft auch Ressourcen – in Form von Zeit, um Informationen zu suchen oder Projekte anzustoßen, in Form von personellen Ressourcen, wenn man ein Projekt nicht alleine umsetzen kann oder in Form von Geld. Auch wenn die Personalabteilung dies nicht alleine entscheiden kann, so kann sie sich doch im Rahmen der personellen Weiterentwicklung für die Bereitstellung von Ressourcen stark machen und solche Projekte unterstützen. Denn nicht nur Innovation, Kreativität und Verantwortung können dadurch gefördert, sondern auch Wertschätzung gegenüber dem Mitarbeitenden gezeigt werden – und damit dessen Zufriedenheit und Identifikation mit dem Unternehmen gefördert werden.
5. Was man gerne tut, macht man gut
Positive Emotionen sind ein weiterer Faktor, der Engagement für Nachhaltigkeit treiben kann. Diese können durch sinnstiftende Tätigkeiten wie zum Beispiel Corporate Volunteering-Aktionen entstehen.
Corporate Volunteering gehört als ein Baustein in die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens und der Personalabteilung, denn damit kann ein Unternehmen seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen und zeigen. Gleichzeitig erhalten Mitarbeitende nicht nur die Möglichkeit, sich für einen guten Zweck zu engagieren, sondern können ihre Kompetenzen anderen pro bono weitergeben oder sogar neue erlernen.
Dabei gilt, dass Corporate Volunteering strategisch gedacht und in das Unternehmensbild insgesamt passen sollte. Ein IT-Unternehmen kann eine NGO beim Programmieren einer Website unterstützen, während Mitarbeitende aus einem Life Sciences-Unternehmen einen Workshop für MINT-Themen geben können.
6. Tue Gutes und sprich darüber
Und zu guter Letzt sind Kommunikation und der Austausch mit anderen, zum Beispiel über Best-Practice Beispiele, wesentliche Treiber, um sich gegenseitig zu informieren, zu motivieren und gemeinsam nicht nur nachhaltig zu handeln, sondern dadurch auch ein Unternehmen nachhaltig zu transformieren und die Unternehmenskultur zu prägen.
Wie es weitergeht…
Mit diesem Beitrag endet der Exkurs zu den sechs Schlüsselthemen, die aus Sicht eines nachhaltigen Personalmanagements für die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie im Unternehmen essentiell sind:
Leadership, Recruiting & Mitarbeiterentwicklung, Diversität, Arbeitsbedingungen & Work-Life Balance, Gesundheit & Well-being sowie Nachhaltiges Handeln.
Damit enden die Aufgaben und Themen von HR aber noch lange nicht. Mit welchen Kennzahlen kann der Impact von nachhaltigen Personalmaßnahmen gemessen werden, wie sollte HR über seine Maßnahmen kommunizieren, welche Kompetenzen brauchen HR-Mitarbeiter:innen, um ein nachhaltiges Personalmanagement zu treiben – über diese und weitere Themen werden wir auch in 2022 regelmäßig in diesem Blog berichten.