Von Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt und Dr. Silke Boeffel.
Nachhaltiges Recruiting ist die Grundlage für eine nachhaltige Unternehmensführung und nicht einfach ein digitaler, papierloser Bewerbungsprozess. Wir zeigen Ihnen hier wie Sie Talente mit dem richtigen Mindset finden und worauf Sie beim Bewerbungsprozess und dem weiteren Weg der Mitarbeitenden im Unternehmen bis hin zum Ausscheiden achten sollten.
Wer ein Unternehmen aufbauen möchte, in dem Nachhaltigkeit ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur ist, braucht Mitarbeitende mit einem entsprechenden Mindset. Denn jede noch so gute Nachhaltigkeitsstrategie verpufft, wenn sie von den Mitarbeitenden nicht umgesetzt wird. Wie aber findet ein Unternehmen Mitarbeitende mit dem richtigen Mindset? Wie kann der „Mitarbeiter-Lebenszyklus“ vom Recruiting über das Onboarding, die Mitarbeiterentwicklung bis hin zur Trennung von Mitarbeitenden nachhaltig gestaltet werden? Schauen wir uns anhand von vier Themenbereichen an, wie HR die Mitarbeitenden auf ihrem Weg optimal begleiten und nachhaltig fördern kann.
Thema 1: Nachhaltiges Recruiting – Kandidaten mit nachhaltigem Mindset finden
Anforderungen an die Kandidaten definieren
Im Recruiting werden natürlich vor allem die fachliche Qualifikation Erfahrung und persönliche Fähigkeiten von Kandidaten überprüft. Für nachhaltige Unternehmen kommt ein weiterer Punkt dazu: Kandidaten sollten ein nachhaltiges Mindset mitbringen sowie ein Gespür für Zusammenhänge zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten. Dies erfordert eine ausgewogene Urteilsfähigkeit sowie die Fähigkeit zur Analyse und Folgenabschätzung. Dies gilt insbesondere für Führungspositionen bzw. Positionen, die zentral für die Nachhaltigkeitsausrichtung eines Unternehmens sind. Denn Nachhaltigkeit heißt auch, inter- und transdisziplinär zu denken und somit – bezogen auf das Unternehmen – über die eigene Aufgabe und Abteilung hinauszuschauen. Daher sind ein Interesse für andere Themen und Offenheit für neue Wege wichtige Eigenschaften im Profil der Kandidaten:innen.
Stellenausschreibung nachhaltig gestalten
Heben Sie hervor, dass Nachhaltigkeit ein zentrales Thema in ihrem Unternehmen ist und fordern Sie Nachhaltigkeitsskills als Teil der Stellenbeschreibung ein. Dadurch erhalten Sie bereits eine Vorselektion an Bewerber:innen mit einem nachhaltigen Mindset. Eine mögliche Formulierung könnte sein: „Sie haben sich in Ihrem Studium oder außerhalb bereits aktiv mit Nachhaltigkeitsthemen auseinandergesetzt“.
Formulieren Sie Jobausschreibungen neutral und ansprechend für alle. Dabei geht es nicht unbedingt nur darum zu „gendern“, sondern Formulierungen zu vermeiden, die nur bestimmte Gruppen ansprechen oder ausschließen. Z.B. werden männliche Bewerber durch auf Macht und Status bezogene Eigenschaften wie Ehrgeiz und Durchsetzungskraft eher angesprochen, während Frauen eher auf Attribute wie Teamfähigkeit oder Loyalität, also auf Gemeinschaft bezogene Eigenschaften positiv reagieren. Achten Sie daher sehr genau auf die Wortwahl im Anforderungsprofil.
Nachhaltigkeitsthemen in jedes Interview integrieren
Scannen Sie die Kandidaten und Kandidatinnen auf Nachhaltigkeitsinteressen. Gab es Weiterbildungen mit ökologischem und / oder sozialem Inhalt? Auch Hobbies und ehrenamtliche Tätigkeiten geben erste Hinweise darauf, wie die jeweiligen Personen ticken
Überprüfen Sie im Vorstellungsgespräch das Mindset gezielt auf Nachhaltigkeit und die Präferenz für nachhaltige Themen. Fragen Sie gezielt nach Beispielen für eigenes nachhaltiges Handeln des Kandidaten/der Kandidatin, oder fragen Sie nach, welche Nachhaltigkeitsthemen er/sie in der neuen Stelle mit einbringen könnte.
Oft wird Kandidat:innen im Rahmen des Bewerbungsgesprächs das Unternehmen gezeigt. Binden Sie Mitarbeitende ein, die im Rahmen der Unternehmensführung weitere Informationen auch zur Nachhaltigkeitsausrichtung des Unternehmens geben können.
Wertschätzenden Bewerbungsprozess sicherstellen
Schließlich sollte der gesamte Bewerbungsprozess von Wertschätzung gegenüber allen Bewerbenden geprägt sein. Geben Sie zeitnah eine Rückmeldung und halten Sie Kandidat:innen immer über den Status der Bewerbung auf dem Laufenden. Auch wenn Sie sich nicht für jemanden entschieden haben, danken Sie für das Vertrauen und die Zeit. Bleiben auch sie als Unternehmen (und Personalabteilung) in guter Erinnerung – wer weiß, vielleicht sieht man sich später wieder oder sie werden zumindest aufgrund der guten Erfahrung weiterempfohlen.
Thema 2: Das Onboarding – Der erste Eindruck zählt
In den meisten Unternehmen durchlaufen neue Mitarbeiter:innen mehr oder weniger umfangreiche Einführungsprogramme und Trainings. Das Thema Nachhaltigkeit muss hier ein essentieller Bestandteil sein. So sollte jede:r Mitarbeitende die wichtigsten Punkte der Nachhaltigkeitsstrategie kennen und die sich daraus ergebenden Vorgaben (z.B. eine „no-fly-policy“, wenn das Ziel in vergleichbarer Zeit mit dem Zug erreicht werden kann).
Im Onboardingprozess zeigt sich die Unternehmenskultur, er prägt die Verhaltensweisen des Mitarbeitenden und beeinflusst langfristig, wie beispielsweise gewünschte Werte und Normen im Unternehmen gelebt werden. Stehen Leitbilder oder die Unternehmensvision nur auf dem Papier oder wird Nachhaltigkeit im Unternehmen bereits gelebt? Das fängt bei vermeintlich kleinen Dingen an wie der Beobachtung, ob in einer Schulung das Wasser in Karaffen oder in Plastikflaschen angeboten wird.
Verhelfen Sie neuen Mitarbeitenden zu einem guten Start
Inbesondere für Mitarbeitende, die von weiter weg (Ausland oder Inland) kommen, ist ein „welcome package“ mit den wichtigsten Informationen eine wertvolle Unterstützung, um sich nicht nur im Unternehmen, sondern auch im neuen Umfeld wohlzufühlen. Kommt das neue Teammitglied aus dem Ausland? Schicken Sie schon vorab Informationen zu Themen wie Bankkonto eröffnen, Krankenversicherung abschließen, Wohnung finden, etc. Zieht jemand aus einer anderen Stadt zu? Schicken Sie einen ÖPNV-Plan und ein Monatsticket für den ersten Arbeitsmonat – damit setzen Sie gleichzeitig einen Anreiz für nachhaltiges Verhalten.
Patenprogramme für neue Mitarbeitende
Auch Patenprogramme, bei denen ein erfahrenes Teammitglied den neuen Mitarbeitenden zur Seite steht, können den Einstieg erleichtern. Die Unterstützung kann – gerade bei Mitarbeitenden, die neu zugezogen sind oder sogar aus dem Ausland kommen – auf die Familie ausgeweitet werden. Unterstützung bei der Suche nach Schulen, Kindergärten und so weiter wird sicherlich gerne angenommen.
Thema 3: Mitarbeiterentwicklung – Ein wichtiger Schritt bei der Mitarbeiterbindung
Die Unterstützung der Mitarbeitenden und Förderung ihrer Talente ist klassische HR-Arbeit. Natürlich ist es oberstes Ziel, die Mitarbeitenden im Unternehmen zu halten und ihre Arbeitskraft optimal zu nutzen. Im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens geht es aber auch darum, die „Employability“ der Mitarbeitenden zu fördern, d.h. sie so gut weiterzubilden, dass sie für den Arbeitsmarkt interessant und qualifiziert bleiben. Dieses Investment in Mitarbeitende lohnt sich, denn es fördert die Mitarbeiterbindung und Motivation. Auf diese Weise kommt das Unternehmen gleichzeitig seiner gesellschaftlichen Verantwortung nach.
Welche Punkte muss eine nachhaltige Personalpolitik noch beachten?
- Mitarbeiterprofile
Erstellen Sie Mitarbeiter-Profile basierend auf Fähigkeiten und Fertigkeiten anstatt auf bisherigen Joberfahrungen. Prüfen Sie bei offenen Stellen vor allem welche persönlichen Eigenschaften für den Job notwendig sind und weniger welches Wissen die Rolle erfordert. Oft haben Mitarbeitende zwar für eine bestimmte Position nicht die gewünschte Erfahrung, aber sie bringen relevante Fähigkeiten mit, die für die Ausübung der Rolle notwendig sind. Fahren Sie gezielt Programme, um schon im Vorfeld Wissenslücken bei wertvollen Mitarbeitenden zu schließen. - Interne Besetzungen mit nachhaltigem Mindset
Fördern Sie bei internen Besetzungen gezielt Talente mit einem nachhaltigen Mindset und berücksichtigen Sie Diversitätsaspekte. Dies gilt insbesondere für Schlüsselpositionen in Unternehmen, die Nachhaltigkeit gezielt voranbringen können. Bauen Sie dafür im Vorfeld einen „Talentepool“ auf, auf den Sie zurückgreifen können. - Nachhaltigkeitstrainings
Stellen Sie Trainingsprogramme speziell zu Nachhaltigkeitsthemen und –skills für alle Mitarbeitenden zur Verfügung. Nachhaltigkeitsprobleme und Fragestellungen sind oftmals komplex, erfordern das Hinterfragen von Strukturen und das Erkennen von Zusammenhängen. Übrigens gelten diese Forderungen auch für HR – denn für ein nachhaltiges Personalmanagement muss spezifisches Wissen erworben werden. - Zielvereinbarungen
Fordern Sie nachhaltiges Handeln über Zielvereinbarungen. Nachhaltigkeitsziele gehören in jede Zielvereinbarung, von der Unternehmensspitze bis hinunter zur Basis. So können Sie überzeugen, dass Ihr Unternehmen das Thema wirklich ernst nimmt und einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Unternehmenskultur leisten will.
Thema 4: Trennung – Eine Chance für Veränderung
Eine gewisse Fluktuation in Unternehmen ist normal – und auch erwünscht: Menschen wollen neue Wege gehen und auch Unternehmen brauchen frische Ideen und Anschauungen, die durch externe Arbeitskräfte ins Unternehmen kommen.
- Nehmen Sie sich Zeit für den Mitarbeitenden
Egal aus welchem Grund ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin das Unternehmen verlässt: die Personalabteilung und die Führungsperson sollten sich Zeit für ein ausführliches Gespräch nehmen und Interesse am Grund der Kündigung zeigen. Dies vermittelt dem Mitarbeitenden Wertschätzung auch über das reine Arbeitsverhältnis hinaus und hinterlässt damit ein positives Bild des Unternehmens. - Verstehen Sie die Gründe
Auch und gerade wenn die Trennung nicht im Einvernehmen erfolgt, ist es für beide Seiten wichtig die Gründe für die Kündigung zu verstehen. Es können sich für Ihr Unternehmen mögliche Ansätze für Verbesserungen ergeben. - Setzen Sie sich mit Kritik auseinander
Verfolgen Sie auch in den sozialen Medien die Berichter aktueller und ehemaliger Mitarbeitender und reagieren Sie auf negative Kommentare. So können Sie glaubhaft machen, dass Ihnen Ihre Mitarbeitenden wichtig sind und sie sich ernsthaft mit Kritik auseinander setzen. - Schaffen Sie Vertrauen und Respekt
Ein fairer, transparenter und mitarbeiterorientierter Trennungsprozess ist auch wichtig für die verbleibenden Mitarbeitenden, für deren weiteres Commitment und Engagement – denn ansonsten kann deren Vertrauen in die Fürsorge durch das Unternehmen untergraben werden. Und auch das Unternehmen selber profitiert langfristig. Denn wer würde sich bei einem Unternehmen bewerben, das in der Krise nicht gut mit seinen Mitarbeitenden umgegangen ist. Man sollte also auch hier das zukünftige Handeln durch leichtfertiges oder unbedachtes Umgehen mit ehemaligen Mitarbeitern nicht verspielen. Wer bereits im Rahmen der Personalentwicklung auf Weiterbildungen zum Thema „employability“ gesetzt hat, hat seinem Mitarbeitenden gute Voraussetzungen gegeben, eine neue Stelle zu finden.
Eine nachhaltige Personalpolitik begleitet fördernd und wertschätzend
Mitarbeitende leben die Unternehmenskultur und sorgen für die Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie – oder eben auch nicht. Daher ist es Aufgabe der Personalabteilung, Mitarbeitende über ihren gesamten Lebenszyklus im Unternehmen – vom Recruiting bis zur möglichen Trennung – wertschätzend zu begleiten, zu fördern und Nachhaltigkeitswissen zu vermitteln. Gleichzeitig sollten gezielt Mitarbeitende mit einem entsprechenden Nachhaltigkeitsmindset rekrutiert und intern gefördert werden, die das Unternehmen auf seinem Weg zu mehr Nachhaltigkeit voranbringen können. Welchen Beitrag Diversität dazu leisten kann und wie HR hier unterstützen kann, erläutern wir in der nächsten Folge.