Von Dr. Silke Boeffel und Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt.

Wer unternehmerisch denkt, sorgt sich um das Wohl seiner Mitarbeitenden. Denn deren Produktivität und Leistungsbereitschaft hängen zu einem großen Teil von ihrem körperlichen und seelischen Wohlbefinden ab. Als verantwortungsvoller Arbeitgeber schaffen Sie mit einem effektiven Gesundheitsmanagement Rahmenbedingungen für eine gesunde Lebensführung und bieten Möglichkeiten an, eingefahrene Routinen zu ändern und neue, positive Gewohnheiten zu entwickeln – zum Wohl von Mitarbeitenden und Unternehmen gleichermaßen.

Ausfallzeiten von Mitarbeitenden – aus welchen Gründen auch immer – sind mit enormen Kosten für ein Unternehmen verbunden. Zahlreiche Studien beziffern die Gesamtkosten (inkl. indirekte Kosten wie Produktivitätsverlust oder Verringerung der Bruttowertschöpfung) mit 4.500 bis 6.700 EUR / Mitarbeiter und Jahr. 

Krankenkosten

Bei einem mittelständischen Unternehmen mit 1000 MA bedeutet dies Verluste in Höhe von  rund 5 Millionen Euro. Diese Zahlen machen deutlich: Es ist im ureigensten Interesse eines jeden Unternehmens ein Hauptaugenmerk auf das Wohl der Mitarbeitenden zu legen.

Dies beinhaltet die Aufnahme von Kennzahlen zur Burnout-Rate, zu Langzeiterkrankungen und Kurzzeitabsenzen sowie zu Kosten von abwesenheitsbedingten Ausfällen. Neben den Fehlzeiten rücken aber auch Folgen von Anwesenheit trotz Krankheit, dem sogenannten Präsentismus, immer mehr in den Fokus. Gerade während der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass sich weniger Menschen krank melden, möglicherweise aus Angst davor zum Arzt zu gehen oder weil man im Homeoffice sich irgendwie über die Runden schleppen kann und ja ohnehin niemanden ansteckt. 

Motivationsverlust

Die Langzeitfolgen von Überlastung und Produktivitätsverlust und die Gefahr eines Burnout werden dabei aber häufig übersehen und treffen Unternehmen langfristig. Schon vor der Pandemie lag der Anteil der Beschäftigten, die über Lustlosigkeit, Nervosität und Niedergeschlagenheit klagen bei 67%. Dieser Wert ist bis Frühjahr 2021 auf 88% gestiegen.

Wenn man diese Kosten mit Maßnahmen für das Wohlergehen der Mitarbeitenden gegenrechnet, zeigt sich sehr schnell der unternehmerische Sinn für ein umfangreiches und strukturiertes Gesundheitsmanagement.

Ihr Weg zu einem sinnvollen Gesundheitsmanagement

Ein nachhaltiges Gesundheitsmanagement bedeutet weit mehr, als die gesetzlichen Anforderungen für Arbeits- und Gesundheitsschutz einzuhalten. Vielmehr geht es um die soziale Verantwortung des Unternehmens gegenüber den eigenen Mitarbeitenden – schließlich verbringen diese hier einen Großteil ihrer Lebenszeit. Die Förderung der körperlichen und seelischen Gesundheit der Mitarbeitenden sollte daher einen sehr hohen Stellenwert im Unternehmen haben, um damit die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft im Sinne der Mitarbeitenden sowie des Unternehmens zu erhalten.

Wie kann man nun als Arbeitgeber entsprechende Rahmenbedingungen schaffen und ein effektives Gesundheitsmanagement aufbauen? Verschiedene Faktoren sind dafür entscheidend:

  • Analyse und Erhebung von Kennzahlen: Wie hoch sind unsere krankheitsbedingten Ausfallzeiten und was sind die Ursachen?
  • Umfragen und persönliche Gespräche zur Arbeitssituation: Welche Probleme treten auf und was sind mögliche Lösungsvorschläge aus Sicht der Mitarbeitenden?
  • Erarbeiten eines Konzepts mit den relevanten Stakeholdern: auf Grundlage der Daten und des Feedbacks kann HR gemeinsam mit dem Betriebsrat, Mitarbeitervertreter:innen, dem Betriebsarzt, der Geschäftsführung, dem Arbeitsschutz bzw. der Fachkraft für Arbeitssicherheit erste Ideen erarbeiten
  • Integration in den Alltag: Maßnahmen müssen in die Organisationsstruktur mit Verantwortlichkeiten und festen Regeln (beispielsweise auch in Form einer Betriebsvereinbarung) implementiert werden, mit dem Ziel, eine „Gesundheitskultur“ im Unternehmen aufzubauen
  • Einbinden der Geschäftsführung: Warum nicht die Gesundheit des Einzelnen als Unternehmensziel aufnehmen?

Ein gelungenes Gesundheitsmanagement muss körperliche und seelische Aspekte im Blick haben

Die konkreten Maßnahmen sind selbstverständlich immer abhängig vom Unternehmen und den Bedürfnissen der Mitarbeitenden. Was aber zu jedem Gesundheitsmanagement dazugehören sollte, sind aktive Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Unfälle sollte es im Idealfall überhaupt nicht geben, aber wenn sie passieren, muss danach eine gründliche Analyse erfolgen, um die Ursachen zu erkennen und Gegenmaßnahmen abzuleiten. Bei Krankheiten, vor allem bei längeren Ausfallzeiten, sind ausführliche Kranken- und Rückkehrgespräche wichtig, um beispielsweise bei Wiedereingliederungsmaßnahmen zu besprechen, wie der Einstieg gut gelingen kann. Gleichzeitig kann ein Unternehmen dadurch zeigen, dass es sich um den Einzelnen sorgt – auch und gerade in schwierigeren Phasen. 

Aber auch sonst kann schon im Vorfeld einiges getan werden, um zu mehr Gesundheit und Well-being beizutragen. Was Mann respektive Frau braucht, um sich wohl zu fühlen, ist sehr individuell. Daher sind – genau wie beim Thema Arbeitsbedingungen – Befragungen der Betroffenen und regelmäßige Reality-Checks absolut unerlässlich.

Einige Grundbedürfnisse können aber als nahezu universell angesehen werden:

Grundbedürfnisse

Diese Grundbedürfnisse zu erfüllen ist zunächst einmal Aufgabe jedes Einzelnen, schließlich ist man für sich selber verantwortlich und sollte schon aus Eigeninteresse für das eigene Wohlbefinden sorgen. Dennoch kann und sollte das Unternehmen auch an dieser Stelle seinen Beitrag leisten. Hier ist die Personalabteilung in der Pflicht, ein Bewusstsein für Problemfelder zu schaffen, Strukturen und Prozesse so zu ändern, dass gesunde Verhaltensweisen gefördert werden und durch gezielte Maßnahmen zu einer Steigerung der Gesundheit und Fitness der Mitarbeitenden aktiv beizutragen.

Körperliche Gesundheit

Auch andere Faktoren, wie Stress durch berufliche und außerberufliche Belastungen, können über kurz oder lang in gesundheitlichen Problemen münden. Daher sollte HR auch Maßnahmen für eine Verbesserung der seelischen Gesundheit anbieten. An dieser Stelle muss auch noch einmal die wichtige Rolle der Führungskräfte unterstrichen werden, die mit einer guten Führung die Zufriedenheit und Motivation des eigenen Teams langfristig erhalten können.

Seelische Gesundheit

Ändern Sie durch aktive Unterstützung positiver Gewohnheiten die Unternehmenskultur

Rauchen, wenig Bewegung, wenig Schlaf und Fastfood sind schlecht für unsere Gesundheit – das weiß eigentlich jede:r. Warum ändern dann so viele Menschen nicht ihr Verhalten und wählen einen gesunden Lebensstil? Eine ungesunde Lebensweise kommt meist von schlechten Gewohnheiten – und es gibt kaum einen schlimmeren Feind als eine schlechte Angewohnheit. In diesem Sinne sind Gewohnheiten ein Fluch. HabitsDenn obwohl wir uns ihrer bewusst sind, ist es sehr schwer sie zu ändern. Ein Unternehmen kann seinen Mitarbeitenden jedoch Hilfe zur Selbsthilfe in Form von Informationen, Workshops, Interessensgruppen, Vorbildverhalten, etc. bieten. Auf diese Art haben Betroffene die Chance, an ihren eigenen Gewohnheiten zu arbeiten und die negativen Routinen durch positive Alternativen zu ersetzen.

Auf der anderen Seite können Gewohnheiten auch ein Segen sein und ganze Organisationen und Unternehmenskulturen verändern. Wenn es nämlich gelingt, positive Routinen in eine Organisation einzubauen und diese sich als Gewohnheiten verfestigen, ändert sich die DNA des Unternehmens, was zu einer dauerhaften Transformation führt.

Dazu ein paar Beispiele, die leicht umzusetzen sind:

  • Walk&Talk: Warum nicht den regelmäßigen Austausch zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten oder Kolleg:innen mit einem gemeinsamen Spaziergang verbinden anstatt im Büro zu sitzen?
  • Positive Grundstimmung: Erzeugen Sie eine konstruktive und positive Atmosphäre in Meetings, indem Sie jedes Meeting mit einem positiven Statement, einer Erfolgsmeldung oder einem Lob / Dank beginnen.
  • Gemeinsame Aktionen für einen guten Zweck: In fast jeder Stadt gibt es Sportevents, mit denen zum Beispiel für einen guten Zweck gelaufen wird. Warum nicht als Team oder ganzes Unternehmen antreten – das ist gut für die Fitness, den Teamgeist und die Gesellschaft.

Gesunde Mitarbeiter sind die Basis für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens

Nachhaltigkeit im Sinne der Brundtland-Kommission heißt, die zur Verfügung stehenden Ressourcen zu nutzen, aber auch für nachkommende Generationen zu erhalten. Für die Personalabteilung eines nachhaltigen Unternehmens müssen dabei die Mitarbeitenden als Kernressourcen gesehen werden. Ihre Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft zu erhalten, zum Wohle des Unternehmens und der Gesellschaft, ist eine Kernaufgabe. Und dafür ist ein gut aufgestelltes Gesundheitsmanagement unerlässlich. Denn nur gesunde Mitarbeitende, die sich im Unternehmen wohl fühlen, ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen – im positiven Sinne herausfordernder – Arbeit und Entspannung haben und deren Körper und Geist voll einsatzfähig sind, können die Leistung bringen, die Unternehmen zum Erhalt der eigenen Wettbewerbsfähigkeit brauchen.